Viele Eltern stimmten mir letzte Woche zu, dass freiwillige „Angebote“ in Kindergärten nicht ausreichen, um Kinder effektiv zu fördern. Wenn ein Kindergarten jedoch den Aberglauben überwindet, man schade der kindlichen Entwicklung mit verbindlichen Arbeitsaufträgen, kann Förderung ziemlich einfach sein! Ich weiß, wovon ich spreche: Seit über sechs Jahren betreibe ich „Die Zwergenschule“, eine vorschulische Einrichtung zur Bildung und Lernerziehung. Ein fester Bestandteil des Unterrichts hier ist die graphomotorische Förderung. Ganz simpel gesagt gleiche ich das aus, was der aktuellen Kindergeneration an Aktivität im Zeichnen und ersten Schreiben fehlt. Individuelle Entwicklungsrückstände, durch Fehlerziehung oder Behinderung bedingt, spielen bei einem Teil der Kinder eine Rolle. Aber selbst bei diesen Kindern ist der Förderbedarf mangels strukturierter Anleitung im Kindergarten und Elternhaus größer, als er sein müsste. Dabei ist Förderung in diesem Bereich einfach und bringt schnell erstaunliche Ergebnisse:

 

Eichhoernchen 4A Maedchen

Vorher: Freier Versuch „Eichhörnchen“, Mädchen (Kindergarten), 5 1/2 Jahre

Nachher: Nach kurzer Instruktion

Nachher: Nach kurzer Instruktion

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Um die Feinmotorik zu fördern, nutze ich in der Zwergenschule drei Lern- und Übungsbereiche:

  • Zeichnen nach Anleitung, um Grundformen zu erlernen, durch erfolgreiche Gestaltung Freude am Zeichnen zu wecken und die motorische Handlungsplanung zu trainigen
  • Zeichnen und Schreiben in Erstklasslineatur (liniert und kariert), um kleine und exakte Bewegungen zu trainieren, die Orientierung an Linien zu üben und um die Kinder an Sorgfalt zu gewöhnen
  • klassische Fröbel-Faltarbeiten, um auch ohne Stift die feinmotorische Koordination und Bewegungseinschätzung zu üben, um Frustrationstoleranz und Selbstkritik zu trainieren (die Figuren funktionieren nicht, wenn man ungeau gefaltet hat), um geometrische Grundfromen zu erarbeiten und Freude an der figuralen Schönheit der Faltfiguren zu entfalten.

Beim Zeichnen nach Anleitung zeigt sich besonders eindrücklich, wie große Fortschritte selbst graphomotorisch schwache Kinder schon in 15 Minuten Förderung machen können. Die Mittel sind äußerst einfach: Anhand eines der vielen verfügbaren Bücher für Zeichenanfänger werden kindgerechte Motive Schritt für Schritt aufgebaut. Dabei geht man von ganz einfachen Grundformen wie Ovalen, Kreisen, Linien etc. aus und verfeinert diese nach und nach. Manche Bücher bieten zusätzlich noch Merkgedichte, die die Kinder zum Ablauf aufsagen können. Bevor ich den Kindern eine Figur beibringe, lasse ich sie stets das angestrebte Motiv mit ihren eigenen Mitteln zeichnen. Der Kontrast gibt nicht nur Aufschluss über den Lernzuwachs. Die Kinder sehen auch anschließend sehr deutlich, dass die Anstrengung sich gelohnt hat, da sie mit ihrem erlernten Motiv viel zufriedener sind als mit ihrem ersten Versuch. Hier eine Reihe von Beispielen:

Nachher: Enten auf dem See (eine gründelnd), nach kurzer Instruktion

Nachher: Enten auf dem See (eine gründelnd), nach kurzer Instruktion

 

Vorher: Enten auf dem See; Junge (Kindergarten), 5 3/4 Jahre

Vorher: Enten auf dem See; Junge (Kindergarten), 5 3/4 Jahre

 

 

 

 

 

 

Nachher: wenige Minuten später; vom selben Kind

Nachher: wenige Minuten später; vom selben Kind

Vorher: Eichhörnchen mit Nuss. Junge (Kindergarten), knapp 6 Jahre.

Vorher: Eichhörnchen mit Nuss. Junge (Kindergarten), knapp 6 Jahre.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachher: Eichhörnchen mit Nuss, nach kurzer Instruktion

Nachher: Eichhörnchen mit Nuss, nach kurzer Instruktion

Vorher: Eichhörnchen mit Nuss; Junge, 5 1/2 (Kindergarten)

Vorher: Eichhörnchen mit Nuss; Junge, 5 1/2 (Kindergarten)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Manche Kollegen behaupten, Kinder sollten keine Anleitung im Zeichnen erhalten, da dies der „Kreativität“ nicht genug Raum lasse. Kreativität, also die Schaffenskraft, hängt aber davon ab, was für ein technisches Repertoire man zur Verfügung hat. Jeder Künstler fängt mit Skizzenübungen an, Kinder sind da keine Ausnahme. Und ich kann die Kollegen beruhigen: Wenn man eine gesamte Schulklasse z.B. nach Anleitung Löwen zeichnen lässt, sieht am Ende jeder Löwe individuell anders aus. Aber die Kinder, die vorher sagen „Mensch, hilf mir doch, meinen Löwen erkennt man gar nicht!“, muss man nicht anlügen nach dem Motto „Doch, man muss nur genau hinsehen, toll machst du das!“. Man kann ihnen ehrlich sagen: „Stimmt, ich hätte es auch für einen Hund gehalten. Komm, ich zeige dir, wie es besser geht!“. Und was wäre besser, als an die vorhandene realistische Selbstkritik der Kinder anzuknüpfen, den Fehler gelassen bein Namen zu nennen und dann mit Hilfe der eigenen Kompetenz das Fehlende bei ihnen aufzubauen?