Verhält sich ein Kind im  Unterricht über längere Zeit auffällig und greifen die üblichen pädagogischen Maßnahmen nicht in der gewünschten Weise, bitten die meisten Pädagogen fast reflexartig die Eltern zu einem Gespräch. Von solchen Gesprächen verspricht sich der Pädagoge unter anderem zusätzliche Informationen zum besseren Verstehen des Kindes und stellt den Eltern entsprechende Fragen.

Nun kann man Fragen stellen, die eine wohlwollend-interessierte Atmosphäre entstehen lassen und den Gesprächspartner zum erzählen ermuntern.

Man kann mit Fragen jedoch auch eine eher nüchterne und kühle Situation schaffen, in der sich die Befragten ausgefragt und als bloße Informanten fühlen. Eingeschüchtert antworten die einen knapp und darauf bedacht, nichts Falsches zu sagen. Andere reagieren verärgert, patzig und bleiben ebenfalls kurz angebunden, um möglichst wenig von sich Preis zu geben.

Man kann Fragen stellen, die dazu verleiten, weit auszuholen und ausufernd zu erzählen und man kann präzise und gezielt nach interessanten Einzelheiten oder wichtigen Informationen fragen.

Das gekonnte Fragen-stellen ist also keineswegs trivial und jedermann gegeben, sondern eine Kunst, die den Verlauf eines Gesprächs wesentlich mitbestimmt. Um die Kunst des Fragens zu erlernen, sollte man bestimmte Arten von Fragen kennen und einige Ratschläge beim Formulieren von Fragen beachten. Heute stellen wir daher etwas Hintergrundwissen und eine Menge konkrete Tipps für die Praxis des klugen Fragens vor.

Wie man den kommunikativen Werkzeugkasten mit verschiedenen Fragetypen füllt

Fisseni (2004) unterscheidet funktionale, formale und Suggestivfragen.

Mit funktionalen Fragen kann man ein Gespräch steuern und lenken. Je nach ihrer Funktion im Gespräch kann man verschiedene Arten von Fragen unterscheiden und geschickt einsetzen:

  • Mit Kontakt- und Einleitungsfragen steigt man ins Gespräch ein, versucht „das Eis zu brechen“ und eine vertrauensvolle zugewandte Atmosphäre herzustellen. Man spricht belanglose Themen wie Anreise, Wetter usw. an und vermeidet es, „mit der Tür ins Haus zu fallen“.
  • Übergangsfragen führen von einem Thema zum anderen, von Randfragen hin zum Kern des Gesprächs. Oft ist es notwendig, wortreiche, abschweifende Erörterungen wieder zum eigentlichen Thema zurückzuführen oder einen bisher nicht umsonst ausgesparten Themenkomplex anzusprechen. Überleitungs- oder Zentrierungsmöglichkeiten bieten sich, wenn der Fragenstellende das bisher Besprochene zusammenfasst und dann zur eigentlichen Frage zurückkehrt oder aber zum nächsten Thema übergeht.
  • Besonders heikel sind sogenannte Kontrollfragen, mit denen Unklarheiten beseitigt oder Widersprüche aufgezeigt und geklärt werden. Leicht kann sich der Befragte hier angegriffen und in die Enge getrieben fühlen. Formuliert man solche Fragen jedoch als ein eigenes Nicht-verstehen und bittet um Aufklärung, um Missverständnisse zu vermeiden, gelingen diese Gesprächsphasen.

Formale Fragen beeinflussen die Art ihrer Beantwortung. Je nachdem, wie man die Frage formuliert, schränkt man die Antwortmöglichkeiten ein oder erweitert sie:

  • Eine offene Frage eröffnet dem Befragten einen großen Freiraum und er kann ausführlich über sein Erleben berichten. Geschlossenen Fragen dagegen geben bereits Antwortmöglichkeiten vor, aus denen der Befragte auswählen kann und eventuell nur noch mit „ja“ oder „nein“ antworten kann bzw. muss. Geschlossene Fragen sind zeitsparend, aber man muss sich bewusst sein, dass sie nur nützlich sind, wenn der Frager nach genau der richtigen Information fragt. Sonst entgeht ihm etwas. Offen nach dem Freizeitverhalten gefragt, wäre: „Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?“, geschlossen: „Treiben Sie in Ihrer Freizeit viel Sport?“.
  • Die Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Frage bezieht sich auf die Art und Weise des Zugangs zum Gesprächsgegenstand. Bei einer direkten Frage kommt man ohne Umschweife zum Punkt. Werden jedoch unangenehme Sachverhalte erfragt, über die der Befraget entweder nicht gerne spricht oder aber keine schlüssigen Aussagen treffen kann, so greift man auf indirekte Fragen zurück, die ins Umfeld eines Fragegegenstandes zielen und nicht auf den Gegenstand selbst. Informationen über Arbeitszufriedenheit erhält so man manchmal leichter, wenn man indirekt die Arbeit und den Arbeitsplatz beschreiben lässt.
  • Zirkuläre Fragen betreffen die Ansichten und Vorstellungen von Personen übereinander. Sie stammen aus der systemischen Familientherapie und werden vorzugsweise gestellt, wenn es darum geht, soziale Systeme oder Konfliktmuster zu erforschen. Das Kind wird gefragt, was die Mama macht, wenn der Papa wieder zu spät kommt. Der Vater wird gefragt, wie sich die Mutter verhält, wenn sich das Kind weigert, mit den Hausaufgaben zu beginnen usw.
  • Eine Suggestivfrage legt dem Befragten eine bestimmte Antwort nahe oder möchte eine bestimmte Antwort provozieren. Ohne unterschwellig suggestive Fragen („Meinen Sie nicht auch, dass …“ oder „In solchen Situationen sollte man ruhig reagieren, oder was meinen Sie?“) kommt man nicht immer aus, explizite Suggestionen sollte man jedoch unbedingt vermeiden, sie sind diagnostisch wertlos.

Wie man dem Gegenüber das Antworten erleichtern kann

Wenn hier in Anlehnung an Fisseni (2004) einige Grundregeln oder Vorschläge für das Formulieren von Fragen gemacht werden, so dienen diese in erster Linie einem Anliegen: Sie sollen dem Befragten das Antworten erleichtern, der Befragung den bedrohlichen Charakter nehmen, um die gewünschten Informationen zu erhalten ohne den Antwortweg vorzugeben. Solche Regeln sind auch nicht blind zu befolgen, sondern sie sind immer mit Blick auf die Fragestellung und den Befragten auszulegen.

  • Einfache Formulierungen wählen: Es empfiehlt sich eine Sprachebene zu wählen, mit der beide Gesprächspartner vertraut sind und die beide verstehen. Der Gebrauch von Fachausdrücken und einer komplizierten Fachsprache widerspricht dieser Regel und verbietet sich eigentlich von selbst.
  • Kurze Sätze bilden: Kurz und präzise formulierte Fragen werden rasch verstanden und auch angemessen beantwortet, ohne dass Teile der Frage überhört werden. Komplexe Fragen versehen mit zahlreiche Vorbemerkungen und eingebettet in vielfältige Verstehenshinweise verunsichern den Befragten und machen ihn ratlos.
  • Eindeutige Formulierungen suchen: Um dem Befragten das Antworten zu erleichtern, sollte man auf Doppelfragen verzichten, die bereits zwei bestimmte Möglichkeiten vorgeben und eine Entweder-oder Formulierung enthalten. Doppelte Verneinungen erschweren ebenfalls den Informationsaustausch und sollten vermieden werden.
  • Komplexe Sachverhalten in Einzelfragen zerlegen: Eine konfliktreiche und komplexe Hausaufgabensituation lässt sich zum Beispiel nach Ort, Zeit, Dauer, Helfer, Art der Hilfen usw.  aufteilen, wonach man einzeln und nacheinander fragen kann. Die Frage „Wie läuft denn so die Hausaufgabensituation ab?“ lässt sich dagegen nicht so leicht beantworten. Das gleiche gilt für umfangreiche Themen, die man mittels Fragen in sinnvolle Teilgebiete aufgliedern kann.
  • An die Erfahrung des Probanden anknüpfen: Fragen, die ganz konkret an Erfahrungen der Befragten anknüpfen, erleichtern ihnen das Antworten. Die Frage beispielsweise an die Eltern nach der Gestaltung der gemeinsamen Freizeit mit ihren Kindern lässt sich leichter beantworten, wenn man konkret nach dem letzten Wochenende oder dem vergangenen Urlaub fragt.

Wie man Gespräche professionell vor- und nachbereitet

Zu einem diagnostischen Gespräch, gleichgültig mit welcher Zielsetzung es geführt wird, zählt nicht nur die Gesprächssituation als solche, sondern es bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung und Planung ebenso wie einer durchdachten und ergebnisorientierten Auswertung:

Vorbereitungsphase:

  • In dieser Phase wird das konkrete Ziel oder die Leitidee bestimmt, die relevanten Themen oder Themenbereiche werden festgelegt und in eine schlüssige Abfolge gebracht. Nicht zu vernachlässigen sind die Rahmenbedingungen, unter denen das Gespräch stattfinden wird. Nachzudenken wäre in diesem Zusammenhang über Ort, Zeitpunkt und Dauer des Gesprächs sowie die Anzahl der Gesprächsteilnehmer.

Durchführungsphase

  • Der Gesprächsverlauf ist in Eröffnung, Hauptteil und Abschluss zu strukturieren und dieser Ablauf ist auch zu kontrollieren. Dem Befragten sollte ausreichend Redezeit eingeräumt werden. Er ist schließlich der, von dem der Fragende Informationen erhalten möchte. Der Fragende läuft immer Gefahr, zu häufig das Wort zu ergreifen und die Dauer der eigenen Redebeiträge zu unterschätzen.
  • Vermeiden sollte der Diagnostiker auch nonverbale Signale wie zum Beispiel ständiges zustimmendes Kopfnicken, was beim Gesprächspartner mit großer Wahrscheinlichkeit als Verstärkung ankommt und den Eindruck vermittelt, das jetzt Gesagte sei das richtige und erwartete. Das Gleiche gilt natürlich auch für missachtende Gesten wie Wegschauen, auf die Uhr schauen, usw. die vom Befragten als Kritik am Gesagten interpretiert werden können und im Extremfall zu Verstummen führen.
  • Selbstverständlich sendet auch der Befragte mit seiner Körperhaltung oder dem Wechsel der Körperhaltung eine Reihe nonverbaler Signale, die wichtige zusätzliche Informationen liefern. Allerdings sollte man sich immer bewusst sein, dass die Körpersprache keineswegs eindeutig ist und ihre Interpretation auch in die Irre führen kann.

Auswertungsphase

  • Möglichst sofort im Anschluss an das Gespräch sollte eine formale Auswertung erfolgen, die sicherstellt, dass die wesentlichen Inhalte und Aussagen festgehalten und registriert sind. Später erfolgt dann die thematische oder inhaltliche Zusammenfassung und Auswertung. Zu prüfen wäre beispielsweise in diesem Zusammenhang, welche Informationen was zur Beantwortung der diagnostischen Ausgangsfrage beitragen.

Literatur

Breitenbach, E. (2014). Psychologie in der Heil- und Sonderpädagogik. Stuttgart: Kohlhammer.

Fisseni, H.-J. (2004). Lehrbuch der psychologischen Diagnostik: Mit Hinweisen zur Intervention (3. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

Hesse, I. und B. Latzko. (2017). Diagnostik für Lehrkräfte (2. Aufl.). Opladen: Barbara Budrich.