Folgende Frage stellte uns der Kollege Markus Titze, Lehrer in der Sekundarstufe, der mit der schlechten Handschrift seiner Schüler in der 7. und 8. Klasse zu kämpfen hat:

Sehr geehrte Frau Stiehler,

ich habe vor einiger Zeit mit Interesse ihren Artikel zu Handschrift und französischer Lineatur auf Praxis Förderdiagnostik gelesen. Wissen Sie, ob es gutes Material für den Bereich Handschrift bei Jugendlichen gibt?

Bzw. macht es aus ihrer Sicht Sinn, in der 7. oder 8. Klasse nochmal von den „Eine-Linie-ohne-weitere-Hilfen“ Collegeblöcken auf Grundschullineatur oder so etwas wie die französische Lineatur zu wechseln?

Mit einigen Tipps konnten wir Herrn Titze weiterhelfen, hier für alle anderen Kollegen in ähnlicher Situation unsere Antwort:

Soweit ich weiß, wird das von Ihnen geschilderte Problem wenig beachtet, da man davon ausgeht, dass nach der Grundschule die Handschrift „sitzen“ sollte. Entsprechend gibt es wenig Material dazu, auch wenn Sie bestimmt nicht der einzige Lehrer in der Sekundarstufe sind, der feststellt, dass man sich (heutzutage?) eben doch nicht auf eine gefestigte Handschrift ab der 4. Klasse verlassen kann. 
Wenn Sie sich des Problems wirklich annehmen wollen, wäre es meines Erachtens sinnvoll, eine Art Projektwoche zum Thema Handschrift zu veranstalten, bei der die Schüler ihre eigenen Schriftdefizite und ungünstigen Bewegungsabläufe erkennen und erfahren, wie sie ihre Handschrift verbessern können. Dazu müssten Sie von allen Schülern eine Schriftprobe einsammeln und sie eigentlich am besten vorab analysieren.

Sehr gute Hinweise dazu finden Sie auf https://www.handschrift-schreibschrift.de/schrifttraining/. Dort gibt es auch ein Trainingsheft für die Sekundarstufe, das sich an Lehrer in Ihrer Situation richtet sowie ein kostenloses pdf mit Hinweisen zur Analyse. Wenn Sie in der Rubrik „Schriftdefizite“ stöbern, erhalten Sie weitere gute Informationen zu typischen Problemen. 

Als Lineatur wäre meiner Meinung nach die Drittklass-Lineatur am besten geeignet. Man könnte theoretisch auch in Karopapier schreiben lassen, so dass die kleineren Buchstaben 1 Kästchen und die größeren 2 Kästchen hoch sind, aber die senkrechten Linien stören und die Schrift wird zu groß für ein flüssiges Schreibtempo. Drittklass-Lineatur bietet die nötige Orientierung, ohne zu sehr einzuengen und ist leicht erhältlich. 

Außerdem wäre eine schöne Heftgestaltung sicherlich ein flankierender Faktor; dazu müssten die Schüler eben wieder Hefte verwenden und nicht Ordner, mit denen man tendenziell etwas schlampiger umgeht. Regeln zur Seitengestaltung (Abstände etc.) helfen, die Aufmerksamkeit auf die Übersichtlichkeit und Ästhetik von Hefteinträgen zu lenken. Vielleicht sind einige Ihrer Schülerinnern Fans des aktuellen Handlettering Trends – wer sich so mit der Schönheit von Schrift beschäftigt, kann vielleicht auch die Mitschüler motivieren, Hefte schön zu gestalten?
Die französische Lineatur würde ich bei deutschen Schülern, die sowieso noch Probleme mit der Schrift haben, nicht unbedingt einführen. Ich denke, sie ist für viele zu gewöhnungsbedürftig und da wir ohne Akzente auskommen, die dort z.B. ebenfalls ihren bestimmten Platz haben, genügt die Drittklasslineatur für Ihre Zwecke sicherlich. 

Wir hoffen, in einigen Monaten an dieser Stelle berichten zu können, was aus der Umsetzung geworden ist. Dies ist das bisherige Feedback unseres Lesers:

Liebe Frau Stiehler,

danke für die sehr ausführliche Antwort! Das ist eine große Hilfe, weil Übungen zu Ordnung und Schriftgestaltung gerade in der 7. Klasse doch noch hilfreich sein können.  Ich schau mal, wie ich das umsetze. Ich habe einen 40-Minuten Kurs, der eine Mischung aus Leseflüssigkeitsübungen (1. Teil) und Schreibübungen (2. Teil) ist.  Es wird wohl eine Mischung aus Lettering (gute Idee!) für die guten Schreiber und Basisübungen für die schwachen Schreiber. Ich melde mich gern mit Erfahrungen am Ende des Schulhalbjahres, Praxisaustausch ist immer eine gute Idee.

Wir wünschen Herrn Titze viel Erfolg bei seinem Projekt! Wenn auch Sie eine Frage haben, schreiben Sie uns an info@drstiehler.de – wir bemühen uns immer, Tipps zu geben, soweit unsere Zeit das zulässt!