Wer hat nicht schon erlebt, dass man notwendige, Compliance einfordernde Elternbegleitung unterlässt? Mit Schrecken festgestellt, dass er mannigfaltige Entschuldigungen für elterliches Prokrastinieren hinnimmt, da ein unproduktives, aber sentimentales „Mitleid“ einen selbst hemmt und das eigene, bequeme Prokrastinieren legitimiert? So glaubt man vielleicht, die Frau bemitleiden zu müssen, die doch zu jeder Sitzung Pralinen mitbringt, eigentlich „so eine Nette ist“ – die diese Woche wieder nicht die tägliche Leseübung mit ihrem Kind durchgeführt hat? Schleicht sich dies einmal ein, sind schnell mehrere Monate ins Land gegangen, in denen kein nennenswerter Fortschritt zu verzeichnen ist – zum Schaden des Kindes!

Denn dessen „Gestörtheit“ bestätigt sich nun in den Augen der Mutter, obwohl in Wirklichkeit gar kein Fortschritt zu erwarten sein kann, wenn sie ihre Pflicht nicht tut. Der Diagnostiker hätte hier früh das Problem erkennen und einen engmaschigen Plan aufstellen und kontrollieren müssen, z.B. mittels internetgestützter Kanban-Boards wie bei trello.com. Man könnte auch der Mutter einen täglichen Alarm in ihr Handy programmieren, tägliche Erfolgsmitteilungen auf den Anrufbeantworter einfordern und bei Ausbleiben sofort rückfragen, etc..

Das mag manchem Sonderpädagogen skandalös erscheinen, aber ich bin der Ansicht: Wenn mein Förderplan richtig ist und Eltern laut Forschungslage und gesundem Menschenverstand eindeutig ihren Teil beitragen müssen, dann ist es der nächste logische Schritt, dafür auch zu sorgen. Wozu sonst das Ganze? Was nützt die beste Diagnose, wenn Eltern ihrem Kind danach das Medikament nicht verabreichen?

Wenn darüber hinaus in einer pädagogischen Psychologie seelische und geistige Fehlentwicklungen nicht mehr thematisiert werden dürfen, da man hierin das Gespenst der „Defizitorientierung“ zu sehen glaubt, kann das notwendige diagnostische Fachwissen gar nicht entstehen. Es gibt grundsätzlich ein detailliertes, logisch schlüssiges und rationalistisch anwendbares heilpädagogisches Diagnostikwissen. Man lese nur einmal Moors Einordnungen von Angst, Unkonzentriertheit oder Ungehorsam in „Kinderfehler, Erzieherfehler“ und wird dort systematisch verschiedene Ursachen und Erscheinungsformen der genannten Probleme logisch aufgeschlüsselt vorfinden. Aber dieses diagnostische Niveau findet sich in der deutschen Praxis kaum.

Das gilt nicht nur für die notwendige Förderdiagnostik, auf der jeder alltägliche Unterricht aufbauen sollte. Praktisch völlig verschwunden ist die Fähigkeit zur erzieherischen „Diagnose“, zu logisch und systematisch hergeleiteten Einschätzungen der ungelösten Erziehungsaufgaben, ihrer Folgen und Bewältigungsstrategien. Dabei ist der allen Menschen gemeinsame Wunsch, verstanden zu werden und bei Problemen konstruktiven Rat zu erhalten, nur mit solch solidem diagnostischen Wissen erfüllbar. Alles andere ist nur ein pseudowissenschaftlich verbrämtes Schulterklopfen, ein in schlechtes Deutsch verhülltes „Kopf hoch, das wird schon irgendwie!“. Es bleibt zu hoffen, dass die Geringschätzung der hohen intellektuellen und fachlichen Fähigkeiten, die ein guter Förderdiagnostiker braucht, nicht weiter um sich greift.

Welche Lehre auch immer Sie für sich aus der Serie Dr. House ziehen, eine wird sicher allen Zuschauern im Gedächtnis bleiben: Es ist nie Lupus! (Oder doch?)

 

Dieser Artikel ist der letzte Teil eine Serie. Die weiteren Teile dieser kleinen Reihe über Dr. House für Pädagogen finden Sie hier:

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